Ich schaffe das nicht!
Ich kann nicht mehr! Ich bin total am Ende!
Dabei will ich doch nur alles richtig machen. Und ein guter Freund oder eine gute Freundin sein. Bin ich so schwach? Nein, bist du nicht. Wenn der Leistungsdruck zu viel wird, jeder Tag ein Kraftakt ist, du kaum noch Freude spürst, weil du immerzu funktionieren musst, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis gar nichts mehr geht. Höchste Zeit, etwas zu verändern.
Wenn nichts gut genug ist …
Leistungsdruck entsteht aus Erwartungen. Dabei muss man zwei Blickwinkel unterscheiden:
Was erwarten die anderen von mir? Und was erwarte ich von mir?
Die beiden hängen eng zusammen. Es gibt einmal das, was andere wirklich von mir erwarten und dann gibt Sachen, die ich annehme, dass andere sie von mir erwarten. Diese Annahmen werden nach und nach verinnerlicht und zum gefühlten Anspruch an sich selbst.
Und am allerbesten wäre, man übertrifft diese Erwartungen noch – je mehr, desto besser das Selbstwertgefühl. Schleichend und unbewusst bastelt man so sein eigenes Hamsterrad. Das Hamsterrad des Perfektionismus. Man rennt und rennt und rennt. Aber es ist nie genug.
Und dann passiert das Gegenteil. Das Selbstwertgefühl geht in den Keller. Man fühlt sich:
- völlig erschöpft,
- ungesehen und
- ausgebrannt.
- Überforderung und Hoffnungslosigkeit machen sich breit.
Wie konnte es nur so weit kommen?
Von außen sieht die Sache ganz anders aus. Man sieht nur einen Menschen, der offensichtlich allen Anforderungen gerecht wird. Warum sollte man ihm helfen? Er schafft es ja. Ganz im Gegenteil, man bürdet ihm sogar noch mehr auf. Er ist ja ein „Macher“, der oder die schafft das schon. Dabei ist die Belastungsgrenze längst erreicht oder bereits überschritten.
Doch solange niemand STOP! HALT! SCHLUSS! AUS! schreit, sieht das keiner. Was also tun?
Grenzen setzen, NEIN sagen!
Ich will das nicht, ich komme nicht, ich will nicht mitmachen, das ist mir zu viel, ich hab‘ keine Lust, lass‘ mich in Ruhe, mach‘ das selber! Sätze, die einem gar nicht so leicht über die Lippen gehen, wenn man bis jetzt „everybodys darling“ war, immer für andere da.
Du musst nicht immer „funktionieren“
Jeder Mensch erfüllt unzählige Rollen,
- z.B. als Tochter,
- Schüler,
- Enkelin,
- Schwester,
- Freund,
- Partnerin,
- im Job und
- in der Freizeit.
Um überall gut zu „funktionieren“, glaubt man je nach Rolle brav, fleißig, klug, hilfsbereit, witzig, sexy, kompetent, mutig, sportlich und noch Vieles mehr sein zu müssen. Und immer schön lächeln, auch wenn einem gar nicht danach zumute ist.
Das nennt man emotionale Dissonanz, das heißt ein Unterschied zwischen der gezeigten Stimmung und der echten.
Es ist erwiesen, dass Jobs, die emotionale Dissonanz erfordern – z.B. in einer Beschwerdestelle immer freundlich zu bleiben – viel häufiger zum Burn Out führen. Denn Schauspielerei (und genau das ist es), ist anstrengend.
Also frag Dich ruhig häufiger am Tag mal:
„Bin ich gerade echt, oder spiele ich eine Rolle?“
Und wie immer, ist auch bei Leistungsdruck wichtig: Sprechen, sprechen, sprechen. Teile dich mit, frage andere, ob es ihnen auch so geht und wie sie damit umgehen. Nur durch Gespräche kannst du herausfinden, ob die angenommenen Erwartungen von anderen überhaupt existieren. Ziemlich wahrscheinlich sind sie sehr viel geringer, als du gedacht hast.
Wenn ich nicht weitermache, bricht alles zusammen … oder nicht?
Manchmal ist es aber tatsächlich so, dass Eltern, Freunde, Lehrerkräfte und wer auch immer zu viel erwarten. Zum Beispiel, dass man um 6 Uhr aufsteht, den kleinen Bruder versorgt und zur Kita bringt, dann zur Schule geht – natürlich mit Top-Leistungen, Bruder abholt, Haushalt erledigt, kocht, Hausaufgaben macht und abends noch Babysittet. Klare Sache, das geht nicht! Ein junger Mensch hat auch das Recht sein Leben zu leben und dazu gehört Freizeit, Entspannung, Freunde treffen, Quatsch oder auch nix machen. Ist man aber schon tief drin, sieht man oft den Wald vor lauter Bäumen nicht. Das heißt, kein Ausweg weit und breit, sei es, dass das Verantwortungsgefühl so stark oder die Situation scheinbar nicht zu ändern ist. Also warten, bis man zusammenbricht? Dann kann man eigentlich auch gleich sagen „nix geht mehr“. Und obwohl du‘s nicht geglaubt hast, wird sich die Welt weiterdrehen und werden sich die Dinge auf wundersame Weise neu sortieren.
Was also tun?
Raus aus dem Loch!
Schritt 1: Immer direkt! Also zum Beispiel den Eltern, mitteilen, dass sie zu viel verlangen und du das nicht leisten kannst und willst. Wenn du auf taube Ohren stößt und es nur heißt „Stell dich nicht so an!“ oder auch nach mehrmaligem Sagen absolut nichts passiert, dann…
Schritt 2: Hol dir Hilfe! Das kann jede Person deines Vertrauens sein, die dich gegenüber deinen Eltern unterstützen kann. Tante, Opa, Cousin, Vertrauenslehrer*in… Wenn das noch nicht so gut klappt und du Unterstützung brauchst, dann sind wir von JugendNotmail für dich da. Vielleicht können wir dir das ein oder andere Türchen auf dem Weg zu mehr Selbstbestimmung und weniger Leistungsdruck zeigen …
Und wir helfen dir gerne dabei, ein Hilfsangebot in deiner Nähe zu finden, wenn du das möchtest. Dort kann man dir auch sagen, ob und wenn ja, welche Alltagshilfen dir und deiner Familie möglicherweise zustehen. Die meisten wissen es nur einfach nicht. Also, keine falsche Scham, werde aktiv und melde dich bei uns!
NIEMAND KANN IN ALLEM GUT SEIN.
Und zum Glück muss das auch keiner. Du bist gut, so wie du bist. Deshalb beschütze dich so gut wie jemanden, den du sehr lieb hast. Und sag‘ öfter mal NEIN.