Wozu ist deine Wut gut?
Wut ist eine der intensivsten Emotionen der menschlichen Psyche und wir oft als gefährlich oder beängstigend wahrgenommen. Alle Menschen in allen Kulturen empfinden Wut. Aber wir unterscheiden uns darin, wie wir unsere Wut ausdrücken und was wir aus unserer Wut machen.
Achtung Grenzüberschreitung!
Wut entsteht, wenn wir an unsere Grenzen kommen: Wenn uns jemand provoziert oder verletzt, wenn ein Vorhaben zu schwierig wird oder wenn wir große Schmerzen empfinden – im Körper oder in der Seele.
Deine Wut ist dabei ein Signal an dich und ein Signal nach außen:
„Stop! Hier ist meine Grenze!“ .
Wut kann entstehen durch:
- Ungerechtigkeiten (z.B. Kränkungen oder Rassismus),
- fehlende Wertschätzung (wenn unsere Leistung oder Anstrengung ungesehen bleiben),
- Ohnmachtsgefühle (wenn wir uns anderen oder äußeren Umständen ausgeliefert fühlen) oder
- Überlastung (wenn wir überfordert oder erschöpft sind).
- Wut kann auch im Rahmen von Trauer und bei der Bewältigung von Trauma entstehen.
Wie intensiv wir die Wut erleben, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Sie wird durch die eigene Kultur, frühere Erfahrungen und persönliche Eigenschaften, sowie unser aktuelles Befinden beeinflusst.
Woran merke ich, dass ich wütend bin?
Wut ist intensiv!
Das kannst du in deinem Körper spüren:
- Dein Herz schlägt schneller.
- Du spürst eine Anspannung.
- Deine Augenbrauen ziehen sich zusammen und nach unten.
- Du denkst “Ich könnte explodieren!”: Mit den Händen, Füßen oder mit dem Mund.
Wut lässt sich nicht immer vermeiden. Doch wie du anschließend handelst, hast du selbst “in der Hand”.
Angriff ist die beste Verteidigung?
Wut kann:
- Aggressionen hervorrufen
- impulsiv sein
- erschrecken
- Ablehnung auslösen – in uns selbst und in unserem Gegenüber.
Der offene Ausdruck von Wut verletzt unser Selbstbild als sympathische, „anständige“ Menschen und gilt als ungehörig und verwerflich. Wut kann daher auch Schamgefühle auslösen.
Das sprichwörtliche “Dampf ablassen” kann sich zwar im ersten Moment gut anfühlen, funktioniert beim Menschen aber nicht wie beim Schnellkochtopf. Die Wut bleibt oft bestehen. Denn:
Wenn du wütend auf andere Menschen oder Dinge zugehst, kannst du Verletzung und Schaden verursachen.
Das kann effektiv sein. Schwächt aber die Beziehung. Meistens verschließt sich dein Gegenüber jeglicher Kooperation, es kommt zur Eskalation der Situation. Insofern ändert ein Wutausbruch nur selten etwas an der Ursache, die uns wütend gemacht hat.
Also lieber ignorieren?
Deine Wut zu unterdrücken ist nicht nur unglaublich schwer.
Ignorieren wir die Wut, ignorieren wir unsere Bedürfnisse.
Die Gefühle stauen sich an und können später explosionsartig und unkontrollierbar herauskommen.
Die Folgen können schwerwiegend sein:
- Beziehungen leiden (z.B. jemand bricht den Kontakt ab),
- der Geldbeutel leidet (z.B. durch einen Sachschaden) oder auch
- wir begehen vielleicht sogar eine Straftat (z.B. Affekthandlungen).
- Oder wir geben die Hoffnung auf und resignieren, mit dem Gedanken: “Es wird sich eh nichts ändern”…
⇨ Alles keine wirklich guten Lösungen.
Wie kann ich meine Wut konstruktiv nutzen?
Wir bewerten die Wut oft negativ. Aber: Wut ist eine wichtige Ressource!
Sie kann dir helfen, für deine Bedürfnisse einzustehen. Doch das sollte sozialverträglich geschehen. Denn, so sagte schon Aristoteles:
“Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend auf den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit, zum richtigen Zweck und auf die richtige Art, das ist schwer.“
Wurde deine Grenze klar überschritten, kann es sinnvoll sein, dein Gegenüber unmittelbar darauf aufmerksam zu machen. Oft ist die Situation aber komplex und das Geschehen nicht sofort und eindeutig einzuordnen.
Denn: Im Eifer des Gefechts denken wir nicht mehr klar. Wir fokussieren uns auf uns selbst, sind in der Wut gefangen.
4 Schritte, um die Wut zu besiegen
Schritt 1 – Runterkommen:
Wenn du spürst, wie die Wut in dir aufkocht, sage dir bewusst erst einmal: STOP!
Versuche, mithilfe so genannter Anger-Management-Strategien runterzukommen und Abstand zu gewinnen:
- Atmung: versuche, alle Luft im Körper langsam durch die Nase auszuatmen, langsam wieder einatmen – wiederhole dies ein paar Mal, bis du merkst, dass du ruhiger wirst.
- Räumliche Trennung: verlasse den Raum, suche notfalls z.B. die Toilette auf, um runterzufahren.
- Körperliche Aktivität: Gehe Spazieren, mache Sport oder bewege dich, um deinen Körper auszupowern.
Schritt 2 – „Pick your battle”:
Manche Dinge können wir nicht ändern, sie sind außerhalb unserer Kontrolle. Und, lohnt sich der Aufwand?
- Wenn dir das Thema und/oder die Personen wichtig oder ähnliche Situationen in der Zukunft unvermeidlich sind, dann weiter mit Schritt 3.
- Oder gibt es wichtigere Dinge in deinem Leben, denen du deine Aufmerksamkeit und Kraft schenken möchtest? Dann singe laut und tanze wild, z.B. zu „Shake it off“ von Taylor Swift und wende dich diesen wieder zu.
Schritt 3 – Ursache identifizieren:
Gehe auf die Suche nach der Ursache deiner Wut.
Überlege und notiere:
- das tatsächliche Geschehen (wie eine Videokamera) und
- deine Interpretation der Situation (was hast du dabei gedacht und gefühlt).
1. Versuche dich auch in dein Gegenüber hineinzuversetzen: Was könnte ihn/sie zu seinem/ihrem Verhalten bewegt haben?
2. Kommen solche Situationen häufiger vor, kann dir auch ein “Wut-Tagebuch” helfen, Muster zu identifizieren („immer wenn x, fühle ich…“).
3. Notiere Auslöser, wie stark und wie lange du wütend warst und wie du in der Situation reagiert hast.
Schritt 4 – Miteinander reden:
Überlege erstmal, was du selbst das nächste Mal anders machen kannst. Und was genau du dir in Zukunft von deinem Gegenüber wünschst.
Suche nun das Gespräch und mach dein Gegenüber auf die Grenzüberschreitung aufmerksam. Verharrt nicht ewig in der “Klärung des Vorfalls”, sondern konzentriert euch darauf, eine gemeinsame Lösung für die Zukunft zu finden.
Merke:
Wut ist ein Hinweis, dem du gut zuhören solltest. Wenn du deine eigenen Grenzen kennst und anderen gegenüber kommunizieren kannst, darfst du hoffen, dass sie auch respektiert werden.
So packst du die Wut an der Wurzel und gelangst zu mehr Gelassenheit im Miteinander.
Die Berater*innen der JugendNotmail unterstützen dich gern auf diesem Weg!