Ich will mein Leben zurück!

Aber wenn der Dämon kommt und mich fragt, was ich gegessen habe, dann erstickt mich das schlechte Gewissen, dann gibt es nichts anderes mehr…

Kommt dir das bekannt vor? Kennst du diese Zerrissenheit, dass es so nicht weitergehen kann, aber anders auch nicht?

Mädchen erkranken 10-mal häufiger an Magersucht als Jungs und das meist zwischen 16 und 18 Jahren. Deshalb nicht wundern, wenn im Folgenden eher Mädchen angesprochen werden – gilt trotzdem auch für Jungs.

Wenn ich einfach gar nicht mehr essen kann

Wie zeigt sich Magersucht?

Anorexie ist eine psychische Erkrankung, die zur verzerrten Wahrnehmung des eigenen Körpers führt. Das ist so. Und je tiefer man drin steckt, desto weniger will man das wahrhaben. Die rasende Angst zuzunehmen beherrscht dein Leben. Oder was davon übrig ist. Denn Sport und tausend Aktivitäten, die mit essen zu tun haben, gehen schon lange nicht mehr. Und irgendwann fühlst du dich nur noch in „Pro Ana“-Foren verstanden. Aber ein Teil von dir weiß auch, dass das nicht ewig so gehen kann und dass irgendwas in deinem Leben gar nicht ok ist.

Das Problem ist aber nicht die Anorexie selbst, sie ist nur ein Ventil, der Versuch wieder Kontrolle über dein Leben oder wenigstens über einen Teil davon zu haben. Aber was ist es dann?

Zu viel, zu hoch, zu schwer, zu groß – ich kann das alles nicht!

Mir wird alles zu viel, ich kann nicht mehr

Früher war alles easy. Deine Eltern haben die Dinge geregelt, du musstest nichts leisten und warst wahrscheinlich ein ganz normales fröhliches Kind. Mit der Schule kam der Leistungsdruck und du hast dich abgestrampelt, um eine gute Schülerin, eine gute Tochter und eine gute Freundin zu sein. Denn du musst ja „erwachsen werden“.

Ein Teil von dir will das auch, denn erwachsen sein bedeutet auch frei sein und noch kontrollieren deine Eltern scheinbar alles – wann du nach Hause kommst, ob du genug gelernt hast, was es zu essen gibt.

Der andere Teil von dir hat furchtbare Angst, dass „erwachsen“ bedeutet, dass du von jetzt auf gleich alles können und leisten musst, eben wie Erwachsene. Keine Fehler machen, unabhängig sein, sein Leben auf die Reihe kriegen. Du fühlst dich winzig und hilflos und sollst in dieses tiefe dunkle Meer des Lebens springen. Der Konflikt zwischen Freiheitsdrang und Überforderung scheint unlösbar und du willst dich am liebsten in Luft auflösen.

Die fatale Fehleinschätzung ist die angenommene Erwartung der anderen, insbesondere deiner Eltern. Auch sie sind nicht von jetzt auf gleich „erwachsen“ geworden. Sie sind langsam reingewachsen und haben eine Billion Fehler gemacht. Und diese Fehler, Irrtümer und falschen Entscheidungen stehen dir auch zu. Nein, du musst sie sogar machen.

„Mach das so oder so“, mag zwar von Deinen Eltern gut gemeint sein, aber für dich ist es der absolute Horror. Fremdbestimmung total.  Und du hast recht, denn …

Du musst deine Fehler selber machen!

…und manchmal auch dafür kämpfen. Das geht oft nicht ohne Streit. Dein Unterbewusstsein sucht fieberhaft nach einem Ausweg aus dieser Zwickmühle und manchmal findet es leider Anorexie. Sie gaukelt dir vor, dass du wieder Kontrolle hast und dass dich andere für deinen Körper bewundern. Das mag auch stimmen, aber nur in Anas Welt. In der richtigen Welt sehen die Leute eine Hungermaske und dahinter ein geringes Selbstwertgefühl, das sich verzweifelt an das Dünnsein klammert.

Ich bin zu dick und fühle mich nicht wohl

Was hat Dir dünn sein gebracht?

Sei ehrlich, auch wenn’s weh tut. Bist du glücklich? Bist du entspannt? Sprechen dich mehr Jungs an, weil sie Untergewicht attraktiv finden? Sind deine Probleme gelöst? Hmmm, wohl eher nicht. Und falls du einen Freund hast, hast du sicher auch schon festgestellt, dass Untergewicht ein Lust-Killer ist. Aber das ist nur eins von vielen körperlichen Symptomen wie Haarausfall, Unfruchtbarkeit, Wachstumsstopp, Haare auf der Wirbelsäule, Schwindel, keine Kraft und Kondition mehr… Und diese Symptome sind auch noch bitter erkauft, indem du dich und andere permanent belügen musst, um weiter hungern zu können.

Aber das wirklich Tragische ist, dass so viel mehr in dir steckt und du es nicht sehen kannst, weil die Krankheit dir nur noch eine einzige Perspektive auf die Welt erlaubt.

Du suchtest Kontrolle, jetzt kontrolliert es dich.

Das war nicht der Plan.

Hol dir die Kontrolle zurück

Jeder weitere Tag ist ein verlorener Tag. Wenn du da raus willst, schaffst du es auch! Glaub an dich und lasse keine Zweifel zu! Die Anorexie ist wie ein Krake, die sich gemütlich in deinem Hirn eingenistet hat und aus der Schaltzentrale Verhaltens- und Denkmuster bestimmt. Aber:

ES SIND NUR GEDANKEN,

die sich über die Zeit verfestigt haben. Du hast sie irgendwann zugelassen und du kannst sie auch wieder verändern, denn es ist dein Kopf, dein Gehirn. Je häufiger dir das gelingt, desto leichter wird es.

Und ja, Rückfälle können passieren, wie bei jeder Sucht – kein Grund aufzugeben. Dann einen Schritt zurück und wieder vorwärts gehen.

Wenn dir noch Kraft und Mut fehlen, dann können wir von JugendNotmail dich unterstützen. Wir hören dir zu und nennen dir falls nötig die richtigen Anlaufstellen vor Ort. Auch dort sitzen Menschen, die dich verstehen und dir helfen können, wieder ein erfülltes Leben zu führen.

Und erfüllt kann dein Leben von Freund*innen, Lachen und Weinen, fleißig und faul sein, Quatsch machen und tausend anderen Sachen sein – aber ganz bestimmt nicht von Gewicht.

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